Anfragen betreffend Frauen bei den Wiener Philharmonikern

an den Bundeskanzler am 21.12.2006

Im Februar 1997, nachdem es zu internationalen Protesten und Boykottdrohungen gekommen war, sprachen sich die Wiener Philharmoniker offiziell für eine `Chancengleichheit ohne Geschlechterdiskriminierung" aus. Gleichzeitig wurde die Harfinistin Anna Lelkes zur ersten Wiener Philharmonikerin in der Geschichte des Orchesters.
Daraufhin legte der langjährige Vorstand, der Cellist Werner Resel, seine Funktion zurück. Er hat Frauen im Orchester immer abgelehnt. “Die Wiener Philharmoniker sind ein Orchester von weißen Männern, die von weißen Männern geschriebene Musik für weiße Männer spielen“, begründete er seine Ablehnung beim Besuch einer Schulklasse. (berichtet der Lehrer am 11.12.1996 auf Ö1) Die Berliner Zeitung schrieb, es läge nahe, „dass der Rücktritt im Zusammenhang mit der Entscheidung des Orchesters vom 27. Februar steht, künftig auch Frauen aufzunehmen. Resel hatte sich wiederholt gegen die Aufnahme von Musikerinnen ausgesprochen und war deswegen von Mitgliedern seines Orchesters kritisiert worden. Angesichts der internationalen Kritik an der Personalpolitik der Philharmoniker hatte Resel sogar mit der Auflösung des Orchesters gedroht" (04.04.1997)
Im September 2006 hat Staatsoperndirektor Ioan Holender die Position eines Orchesterdirektors der Staatsoper geschaffen und mit Werner Resel besetzt. Das Staatsopernorchester ist das Nadelöhr der Philharmoniker. Wer im Staatsopernorchester drei Jahre spielen durfte, wird üblicherweise auch bei den Wiener Philharmonikern aufgenommen.
Im November 2006 werden vom Orchester der Wiener Staatsoper fünf Frauen als Mitglieder angeführt. Die Wiener Philharmoniker weisen auf ihrer Homepage ein weibliches Mitglied aus, der Anteil von Frauen bei den Philharmonikern liegt somit weiter unter 0,8% und an den Geschlechterverhältnissen hat sich in zehn Jahren nichts geändert. Es ist das weltweit mit Abstand die schlechteste Quote. Die Tschechische Philharmonie hat zur gleichen Zeit wie die Wiener Philharmoniker die Diskriminierung beendet und mittlerweile mehr als acht Prozent Frauen aufgenommen, die Dresdner Philharmonie hat sich innerhalb von 14 Jahren auf 25 Prozent gesteigert.
Wenn auf der Musikuniversität mehr Frauen als Männer abschließen, dann aber dreimal so viele Männer wie Frauen das Probespiel im Staatsopernorchester bestehen und wenn danach 31 von 32 Männern die Probezeit bestehen, aber nur vier von sechs Frauen, dann stimmt etwas nicht.
Die Wiener Philharmoniker sind ein Aushängeschild Österreichs, nicht nur musikalisch sondern auch gesellschaftspolitisch. Seit 2002 erhalten sie eine Subvention die zehnmal höher als die vor zehn Jahren ist.


1. Wurde die Position einer Leitung des Orchesters der Wiener Staatsoper ausgeschrieben?

2. Wenn nein, warum nicht?

Antwort auf die Fragen 1/2:
Eine Ausschreibung der Leitung des Orchesters der Wiener Staatsoper ist gesetzlich mnicht vorgesehen und wurde daher auch nicht veranlasst.


3. Wieso wurde die Leitung des Orchesters der Wiener Staatsoper einer Person übertragen, die sich gegen die Aufnahme von Frauen bei den Philharmonikern ausgesprochen hat?

Antwort auf Frage 3:
Laut Auskunft der Direktion der Wiener Staatsoper hat der Orchesterdirektor nicht die Leitung des Orchesters der Wiener Staatsoper inne, sondern lediglich die Obliegenhei- ten, Hilfeleistung für eine bessere Koordination zwischen der Direktion der Wiener Staatsoper und der Orchesterinspektion zu gewährleisten. Es handelt sich also um eine interne, administrative Funktion. Insofern geht die Frage von einer falschen An- nahme aus.


4. Wären Sie als Bundeskanzler mit der Subvention eines Vereins einverstanden, der Frauen diskriminiert?

Antwort auf Frage 4:
Grundsätzlich lehne ich jede Diskriminierung ab. Im konkreten Fall verweise ich auf den Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Verein der Wiener Philharmo- niker, in dem festgehalten ist, „…,dass sich der Verein weiterhin verpflichtet, entspre- chend des bereits am 28. 2. 1997 gefassten Beschlusses die absolute Chancengleich- heit von Männern und Frauen im Orchester zu wahren.“ (Siehe dazu ausführliches Zi- tat in Antwort zu Frage 12)


5. Wie hoch ist der Anteil von Frauen in Prozent im Staatsopernorchester und bei den Wiener Philharmonikern?

Antwort auf Frage 5:
Im Orchester der Wiener Staatsoper sind gemäß Auskunft der Wiener Staatsoper vom 9. Jänner 2007 derzeit sechs Frauen engagiert, was einem Prozentsatz von 4,08% bei 147 Orchestermitgliedern entspricht. Im Verein der Wiener Philharmoniker sind derzeit fünf Frauen (eine Aktive und vier Anwärterinnen) engagiert, was einen Anteil von 4,31% bei 116 aktiven Mitgliedern bedeutet.


6. Um wie viel Prozent ist in den vergangenen zehn Jahren jeweils der Frauenanteil bei den Wiener Philharmonikern und beim Orchester der Wiener Staatsoper gestiegen?

Antwort auf Frage 6:
In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Frauen im Orchester der Wie- ner Staatsoper dahingehend verändert, dass im Jahr 1997 zwei Frauen engagiert wa- ren und es heute, im Jahr 2007, sechs Frauen sind. Diesen Frauenanteil gilt es selbst- verständlich weiterhin zu erhöhen. Seit dem Jahr 2005 gibt es für alle Gesellschaften des Bundestheaterkonzerns Gleichbehandlungsbeauftragte und seit Herbst 2006 einen Gleichbehandlungsplan für den gesamten Konzern; damit sollte einer weiteren Erhöhung des Frauenanteils generell, aber auch im Staatsopernorchester, nichts mehr im Wege stehen.


7. Wie viele Dienste haben die Mitglieder des Orchesters der Wiener Staatsoper in den Monaten Mai und September 2006 geleistet?

Antwort auf Frage 7:
Die geleisteten Dienste der Orchestermitglieder der Wiener Staatsoper belaufen sich laut Auskunft der Direktion der Wiener Staatsoper in den Monaten Mai und September 2006 auf 1590 Probendienste und 4111 Vorstellungsdienste.

8. Wie viele Dienste im Staatsopernorchester wurden in den Monaten Mai und September 2006 von SubstitutInnen übernommen?

Antwort auf Frage 8:
Die Direktion der Wiener Staatsoper teilt mit, dass in den Monaten Mai und September 2006 von den Substitutinnen und Substituten 425 Dienste (Proben und Vorstellungen) übernommen wurden.


9. Erhalten die Wiener Philharmoniker seit 2002 eine Subvention in der Größenordnung von 2,2 Millionen € und warum erhielten sie zwischen 1997 und 2002 keine Subvention?

Antwort auf Frage 9:
Die Wiener Philharmoniker erhalten seit 2002 gemäß Vertrag vom 16. Oktober 2000
einen jährlichen Pauschalbetrag von € 2.180.184,00, dessen Wertsicherung gemäß
Vertragsbedingungen ab dem Jahr 2005 in der Höhe von € 111.189,00 p. a. schlagend wird.
Im Jahr 1998 wurde dem Verein Wiener Philharmoniker anlässlich der Übernahme der Österreichischen Ratspräsidentschaft 1998 ein Betrag von ATS 1,023.000,00 (d.s. € 74.344,30) für die Rechteabgeltung der Live-Übertragung der Oper „Fidelio" in alle EU-Hauptstädte zur Verfügung gestellt.


10. Gibt es einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und den Wiener Philharmonikern und welche Leistung garantiert Österreich und was im Gegenzug die Philharmoniker?

Antwort auf Frage 10:
Es gibt einen Vertrag, in dem sich die Republik Österreich verpflichtet, ab dem 1.1. 2002 für jedes Kalenderjahr einen wertgesicherten Pauschalbetrag pro Jahr zur Aus- zahlung zu bringen. Im Gegenzug dazu verpflichtet sich der Verein Wiener Philhar- moniker durch die Tätigkeit als Konzert- und Opernorchester u. a. als „musikalischer Botschafter Österreichs" zur Erhaltung und Anknüpfung nicht nur kultureller, sondern auch politischer und wirtschaftlicher Kontakte in aller Welt beizutragen. Darüber hinaus verpflichtet sich der Verein, für die Republik Österreich zusätzliche Leistungen zu er- bringen, die im Vertrag wie folgt aufgelistet sind:

a)die Beistellung des Gesamtorchesters zur Absolvierung eines Konzertes pro Spiel- zeit der Wiener Staatsoper unter einem internationalen Spitzendirigenten,
b)die Mitwirkung bei maximal 10 Ehrungen und Auszeichnungen je Kalenderjahr im Interesse und Auftrag der Republik im angemessenen kammermusikalischen Umfang.


11. Auf welche Dauer wurde der Vertrag zwischen der Republik Österreich und den Wiener Philharmonikern abgeschlossen, wie kann er gekündigt werden?

12. Was steht genau in diesem Vertrag (bitte um Übermittlung des Vertragstextes)?

Antwort auf die Fragen 11 und 12:
Bezüglich Dauer und Kündigungsmodalitäten des Vertrags übermittle ich die entsprechenden Abschnitte des Vertragstextes, Top 4 und 5:
Top4:
„Der Vertrag tritt am 1.1.2001 in Wirksamkeit und wird auf unbestimmte Zeit abge- schlossen. Er kann von beiden Vertragspartnern unter Einhaltung einer halbjährigen Kündigungsfrist zum Ende eines jeden fünften Kalenderjahres aufgekündigt werden, wobei die Aufkündigung mittels eingeschriebenen Briefes zu erfolgen hat. Beide Ver- tragspartner verzichten auf die Dauer von 10 Jahren auf die Möglichkeit einer Kündi- gung; die erste wirksame Aufkündigung könnte erst zum 31. 12. 2010 erfolgen. Die Möglichkeit einer vorzeitigen Lösung des Vertrages aus wichtigen Gründen wird da- durch nicht berührt."
Top5:
„Grundlage des Vertrages zwischen der Republik Österreich und dem Verein der Wie- ner Philharmoniker ist, dass die Mitglieder der Wiener Philharmoniker während der Vertragsdauer weiterhin als das im §2 (4) des Bundestheaterorganisationsgesetzes, BGBl. I 1998/108, genannte, im internationalen Maßstab herausragende Orchester, das ein wesentliches Element der künstlerischen Qualität der Wiener Staatsoper bildet, dieser zur Verfügung stehen werden, und dass sich der Verein weiterhin verpflichtet, entsprechend des bereits am 28. 2. 1997 gefassten Beschlusses die absolute Chancengleichheit von Männern und Frauen im Orchester zu wahren."