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Aus dem Blech gefallen

Der Spiegel, Nr. 44/45, 28. Oktober 1991

 

Die Solo-Posaunistin der Münchner Philharmoniker fühlt

sich seit Jahren schikaniert. Musikerinnen passen

dem Dirigenten nicht ins Weitbild.

 

Die Geschichte begann in einer Turnhalle im Münchner Stadtvier­tel Giesing, und zwar überaus harmonisch. Die Münchner Philharmoni­ker suchten eine neue Solo-Posaune. 33 Bewerber bliesen, unsichtbar hinter ei­nem Vorhang, aus Leibeskräften um die begehrte Stelle.

 

Die Nummer 16 warf alle Mitkon­kurrenten aus dem Rennen. Vor dem Vorhang nahm sie sich noch vorteilhafter aus als dahinter - sie entpuppte sich als Frau, als die amerikanische Posaunistin Abbie Conant aus Oklahoma.

 

Eigentlich hatte die Intendenz der Philharmoniker einen ,,Herrn Abbie Conant" zum Vorspielen eingeladen. Die falsche Anrede war zweifellos ein kleiner Fauxpas, aber auch die Verwal­tung eines international tätigen Spit­zenorchesters kann wohl mal Abbie (für Abraham), Abby (für Abigail) und die amerikanische   Mischform   Abbie durcheinanderbringen. Ein schlüssiger Beleg für Frauenfeindlichkeit 1st dies jedenfalls nicht. Auch der Vorhang war ja unter dem früheren Chefdiri­genten Rudolf Kempe ausdrücklich zu­gunsten weiblicher Bewerber einge­führt worden.

 

Weil der Wettbewerb mittlerweile schon über zehn Jahre zurückliegt und inzwischen die Harmonie zwischen al­len Beteiligten in die Bruche gegangen ist, haben sich die Erinnerungen je nach Seelenlage etwas eingetrübt. Ab­bie Conant meint sich zu entsinnen, aus dem Probespiel als klare Siegerin hervorgegangen zu sein. Laut Orche­stervorstand Deinhart Goritzki, Brat­sche, hingegen war die Posaunistin nur ,,sehr knapp" über die Runden gekommen.

 

Auch der Münchner Generalmusikdirektor und Chef des Orchesters, der aus Rumänien stam­mende Sergiu Celibida­che, 79, behauptet Go­ritzki, habe die US-Po­saunistin von Anfang an abgelehnt, doch aus Gut­mutigkeit und Respekt vor dem Orchester von seinem Vetorecht keinen Gebrauch gemacht. Für Abbie  Conant  waren es  zunächst  geradezu “mystische   Erfahrun­gen“, die sie unter dem Dirigentenstab des Mae­stros erleben durfte.

 

Doch schon nach gut anderthalb Jahren brach der berufliche Höhenflug schlagartig ab. Ohne je­de vorausgehende Ab­mahnung wurde Abbie Conant mit einem Zehn­zeilen-Brief das Ar­beitsverhältnis als Musi­kerin    (Solo-Posauni­stin) gekündigt.  Nur noch als schlechter be­zahlte  stellvertretende Solo-Posaunistin durfte sie im Münchner Klang-Körper weiterblasen. Die Amerikanerin wehrte sich vor dem Arbeitsgericht gegen die Zuruckstufung.

 

Die beklagte Stadt München legte im Verlauf des Verfahrens, offenkun­dig instruiert von Maestro Sergiu Celi­bidache, immer massivere Mangelreigen auf den Tisch. Die Siegerin von Giesing verfuge als Stimmführerin der Posaunen, so lief das Personalreferat in  Schriftsätzen  vortragen,  einfach nicht ,,über die nötige physische Aus­dauer und Belastbarkeit". Sie habe ,,nicht genügend Luft" und müsste ,,zu häufig atmen", und das auch noch .,an Stellen, die vom Orchesterleiter auf­grund seiner künstlerischen Vorgaben nicht gewünscht werden".

 

Weil die Klägerin auch nicht in aus­reichendem Malle in der Lage, die Posaunengruppe “...nach den künstleri­schen Anweisungen des Dirigenten" durch ,,sichere aber unauffällige Ge­sten und Zeichen" zu einem ..ausgewo­genen. homogenen Klang zu führen" seien die Posaunen nicht selten ..aus dem  gesamten  Blech  herausgefal­len".

 

Auch außergerichtlich wurde die So­lo-Musikerin plötzlich nach Kräften ge­nervt, etwa durch einen Fünf-Zeilen ­Brief der Orchesterdirektion, wonach sie nun nicht einmal mehr für die Posi­tion der 2. Posaune geeignet war. Bei der beklagten Stadtverwatung wurde erörtert, ob die Aufenthaltsgenehmi­gung der Ausländerin überhaupt noch verlängert werden könnte.

 

Um der für das Passwesen zuständi­gen städtischen Kreisverwaltungsbehör­de zu entgehen. zog Abbie Conant mit ihrem  Mann,  dem  amerikanischen Komponisten William Osborne, vor­sichtshalber aufs Land.

,,Die Autorität und die Kompetenz des Generalmusikdirektors", so ließ der sonst sprachgewaltige Celibidache über die Rechtsabteilung der Stadt München dem Gericht Liebermitteln, seien ,,absolut notwendig und nicht diskutierbar". Die “selektive Auswahl der Mitarbeiter" habe aus dem philharmoni­schen Orchester Mün­chen   immerhin   ein ,,Weltorchester"    ge­macht: ,,Dem Fachurteil des Generalmusikdirek­tors muß deshalb höchste Priorität zuerkannt wer­den."

 

Die erste Runde konn­te die standhafte Posau­nistin dennoch für sich verbuchen.   Das mit dem Posaunen-Fall  befällte Arbeitsgericht München pfiff auf das angebotene Zeugnis des Generalmu­sikdirektors. Die Degra­dierung, befand  der Richter, sei  „...sozial unge­rechtfertigt'- und somit ..rechtsunwirksam".

 

Mit dieser Schlappe vor dem Arbeitsgericht hätte es eigentlich sein Bewenden haben kön­nen. Doch die ,,Weltstadt mit Herz" wollte ihren Maestro, der jährlich über eine Million Mark bezieht und der dem Zusammenwirken der Münchner Musi­ker nach übereinstimmendem Urteil der Kritiker zu ,,klanglichem Schmelz" ver­holfen hat, offenbar nicht vergrätzen. Um die widerborstige Posauni­stin doch noch in die Knie zu zwingen, gingen Orchester und Stadt in die Berufung.

 

Der Vorsitzende  der  5. Kammer des Landesarbeitsge­richts, Nikolaus Starkloff ein­gestandenermaßen ,,auf dem Gebiete der Musik bar jegli­cher Kenntnisse", verzichtete auf einen eigenen ,,Ohren-Schein" und bestellte einen Gutachter.

 

Die Nerven der Posaunistin wurden auf eine harte Probe gestellt. Denn erst nach jahre-langem Warten und mehrmali­gen Rückziehern von Celi-Kol­legen fand sich eine Musik-Ko­riphäe' Professor Heinz Fadle aus Ahrensburg, früher Präsi­dent der Internationalen Po­saunenvereinigung, zu einer Hörprobe bereit - diesmal nicht in der Turnhalle von Gie­sing, sondern in der Neuen Aula der Nordwestdeutschen Musikakademie in Detmold.

 

Zwei Orte - ein- und dasselbe Resul­tat: Abbie Conant gab laut Gutachter Fadle ,,auch bei schwierigsten Passagen" eine überzeugende Vorstellung. Sie ,,entfaltete die nötige Lautstärke" und schaffte ,,das erforderliche Klangvolu­men ohne Probleme" - dies alles ,,mit viel Ausdruck und gepflegtem, weichen Anstoß".

 

Mit ihrer exzellenten Atemtechnik ist die Amerikanerin nach dem Fadle-Gut­achten ,,durchaus in der Lage, in einem Spitzenorchester  als Solobläserin schwierigste  Phasen  durchzuhalten".

   und zwar auch - so das Beweisthema –  ...nach Anweisung des Dirigenten ausreichend lange und mit der gewünschten Intensität sowie Stärke".

 

Die Münchner Richter entschieden nach dieser eindeutigen Expertise zum zweitenmal für Abbie Conant. Im Au­gust letzten Jahres, acht Jahre nach Klageerhebung, wurde der Amerikane­rin das Endurteil des Landesarbeitsge­richts zugestellt. Revision ist nicht zu­gelassen. Seither steht fest: Die Ände­rungskündigung war ,,sozial ungerechtfertigt", Frau Conant durfte ihren Platz auf dem Solistenstuhl wieder ein­nehmen.

 

Allerdings musste sie auf Geheiß Ce­libidaches mit einer schlechteren Ver­gütungsgruppe vorliebnehmen, als sie sämtlichen männlichen Solo-Bläserkol­legen gewährt wird.

 

Hatte der 79jährige ,,Marion Brando der Dirigenten" (The Gazette, Mont­real), vor dem selbst altgediente Or­chestermusiker strammstehen und der Musikkritiker gern als ,,Flaschen mit Sauerkrautohren"  bezeichnet,  dies nicht von Anfang an erkennen kön­nen? Wollte er, wie die Wiener Phil­harmoniker, überhaupt keine Frauen an den Instrumenten oder höchstens ganz wenige wie das Berliner Philhar­monische Orchester (zur Zeit sind es dort vier)?

 

Der biedere Orchestervorstand und Bratschist Deinhart Goritzki will von solchen Männervorurteilen noch nichts gehört haben. ,,Der Chef hat nichts ge­gen Damen", beteuerte er ein ums an­dere Mal. Beide Geschlechter würden genau gleich behandelt - ,,dieselben Gehälter, dieselben Prozeduren". Das launische Naturell seines Herrn kennt er immerhin: ,,Was der Frau Conant passiert, ist schon vielen passiert -hauptsächlich Männern."

 

Die anfänglich ,,wirklich nicht kämp­ferische", doch ,,inzwischen zur Femi­nistin  gewordene"  Posaunistin  aus Oklahoma ist da anderer Meinung. Mit geradezu philatelistischem Eifer hat sie chauvinistisch anmutende Duftmarken aus dem Repertoire des Generalmusik­direktors gesammelt.

 

Celi zu Abbie   Du kennst das Problem - wir brauchen einen Mann für die Solo-Posaune." Celi zur Streichergruppe des Orchesters: ,,Sie klingen wie ein Damenorchester." Celi zu einer Konzertmeisterin: ,Nur Män­ner am ersten Pult!"

 

Erst in allerjüngster Zeit fuhr der Maestro einer Müttergruppe aus dem sogenannten Frauen-Ghetto des Or­chesters, die über unbezahlten Urlaub und Job-sharing diskutieren wollte, energisch in die Parade: ,,Wenn Sie Kinder haben wollen, dann haben Sie den falschen Beruf gewählt."

 

Abbie Conant' selber kinderlos, hält dies alles für ,,frauenfeindlich". Im De­zember letzten Jahres reichte sie eine weitere Klage ein, mit der sie durchset­zen wollte, daß sie wie alle anderen So­lo-Bläser in die übertarifliche nächsthö­here Gehaltsgruppe eingegliedert wird und auch den bei fast allen Kollegen vorgezogenen Alterszuschlag   be­kommt. Doch auf Hilfe von außen durfte sie auch dabei nicht zählen.

 

,,Sie wissen, daß ich es mit skrupello­sen Leuten zu tun habe", appellierte sie in gleichlautenden Briefen unter ande­rem an die Bürgermeister der Stadt, an das Kulturreferat und an die Frauen­gleichstellungsstelle im Rathaus, ,,es ist ein Alptraum - bitte helfen Sie mir”.

 

Oberbürgermeister Georg Kronawit­ter zeigte in seinen Antwortbriefen an Abbie Conant ,,Verständnis, wenn Ih­nen Äußerungen der aufgezeigten Art mißfallen und Sie sich als Frau ge­kränkt fühlen". Obschon formal der Arbeitgeber der Posaunistin und vor dem Arbeitsgericht der Beklagte, woll­te sich Kronawitter jedoch lieber nicht für die Gleichbehandlung einsetzen: ,,I ask you to understand that I cannot in­terfere in a pending case."

 

Nicht einmal die vor gut fünf Jahren in München eigens für Diskriminie­rungsfälle  eingerichtete  ,,Gleichstel­lungsstelle für Frauen", an die sich Ab­bie Conant mit ihrem Hilferuf gewandt hatte, vermochte der bedrängten Po­saunistin zu helfen.

 

,,Die übernatürlichen Kräfte, um ei­nen alten, in sich selbst ruhenden Patri­archen wie Celibidache zum Umdenken zu bringen, hätte ich gern, aber be­sitze sie nicht", bedauerte Friedel Schreyögg. die Leiterin der Stelle, und gab Abbie Conant brieflich die Emp­fehlung einfach ,,die Zeit abzuwarten, bis ein neuer frauenfreundlicher Gene­ralmusikdirektor  das  Ruder  über­nimmt".

,,Es wagt doch keiner, dem ans Bein zu pinkeln", meinte der städtische Ju­rist Wolfgang Brehmer.

 

Richterin Angelika Mack hatte die­sen Mut bei der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht im Juni dieses Jahres. Sie zeigte sich unbefangen in bezug auf den ,,Maestro - wie es so schön devot in den Schriftsätzen heißt' und bestä­tigte der Klägerin unumwunden' ,.daß Sie menschlich unanständig behandelt worden sind".

 

Im Urteil billigte das Gericht Abbie Conant ,,wegen Verletzung der arbeits­rechtlichen Gleichbehandlungspflicht" die höhere Tarifgruppe (monatlich 370 Mark mehr) zu. allerdings nicht den für besondere Leistungen vom Generalmu­sikdirektor vergebenen Alterszuschlag (weitere 732 Mark mehr).

 

Über den halben Sieg versuchte Richterin Mack die Klägerin hinwegzu­trösten.. ,,Sagen Sie nicht, die Recht­sprechung sei genauso schlimm wie Ihr Arbeitgeber."

 

[End of article.]

 

Abbie appealed the decision and won the Alterzuschlag in 1993.  One week later she resigned from the orchestra.  For details see “You Sound Like A Ladies’ Orchestra.”

 

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