Chronologie: Frauen bei den Wiener
Philharmonikern
13.
Dezember 2006
Der
Standard
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Seit 1997 Bekenntnis zu "Chancengleichheit ohne
Geschlechterdiskriminierung" - Aktuelle Frauenquote bei 0,86 Prozent -
Einzige Philharmonikerin ist Harfenistin Balzereit
Wien (APA) - Nach massiven internationalen Protesten und nachdrücklichen
Appellen österreichischer Politiker entschieden sich die Wiener
Philharmoniker im Februar 1997, mit ihrer gut 150 Jahre alten Tradition als
"Männerverein" zu brechen und erstmals Frauen als Mitglieder
zuzulassen.
Damals wurde die Harfenistin Anna Lelkes als erste Philharmonikerin
aufgenommen. Mit der Harfenistin Charlotte Balzereit gibt es derzeit nach
wie vor eine einzige aktive Philharmonikerin. Eine Chronologie:
November 1994: Die "Arbeitsgruppe Frauenrechte Menschenrechte"
fordert in
einem offenen Brief die Wiener Philharmoniker zu einer Erklärung für das
Nichtvorhandensein von Frauen im Orchester auf.
August 1995: Die Orchesterleitung unter Werner Resel führt sozial- und
arbeitsrechtliche Probleme als Begründung dafür an, warum auch zukünftig
weiblichen Mitgliedern der Zutritt zum "Männerverein"
Philharmoniker auf
unbestimmte Zukunft verwehrt bleibt. Frauen im Orchester würden die
künstlerisch vertretbare Personal-Limitierung überschreiten. Grüne und
Liberale reagieren mit Kritik und entsprechenden "Hilfsangeboten".
Juli 1996: Laut Kunstminister Rudolf Scholten prüfe sein Ressort die
Möglichkeit für Frauen, im Rahmen des Bundes-Gleichstellungsgesetzes in das
Orchester aufgenommen zu werden. Zudem wird über eine mögliche
Subventionskürzung bei Mitgliedschaftsverweigerung für Musikerinnen
gesprochen. Verschiedene politische Parteien begrüßen den Vorstoß. Die
Philharmoniker verzichten ein Jahr darauf freiwillig auf die staatliche
Unterstützung von jährlich 2,5 Millionen Schilling.
27. Februar 1997: Die Harfenistin Anna Lelkes, zu diesem Zeitpunkt bereits
26 Jahre im Dienst des Orchesters, wird als erste Frau bei den
Philharmoniker aufgenommen. Der Entscheidung, sich offiziell zur
"Chancengleichheit ohne Geschlechterdiskriminerung" auszusprechen,
waren
neben massivem Druck heimischer Politiker (u.a. des Bundeskanzlers Viktor
Klima) auch internationale Proteste und Boykottaufrufe einflussreicher
amerikanischer Frauenverbände wie der "International Alliance for Women
in
Music" vorausgegangen. Auch nach dem Umdenken der Leitung erheben Verbände
der USA weiterhin Vorwürfe gegen das Orchester und bewerten die
Frauenklausel als bloßen "Beschwichtigungsversuch".
2. April 1997: Philharmoniker-Vorstand Werner Resel tritt "aus persönlichen
Gründen" zurück. Er hatte sich in letzter Zeit eher gegen eine Öffnung
des
Vereins für Frauen ausgesprochen und kurzfristig sogar mit dessen Auflösung
gedroht, war zuletzt aber in den eigenen Reihen unter Druck geraten.
Nachfolger wird Clemens Hellsberg, bisheriger Stellvertreter Resels, der
"Versäumnisse" bei der Aufnahme weiblicher Mitglieder einräumt.
März 1998: Nach einem New Yorker Gastspiel in der Carnegie Hall stehen die
Philharmoniker erneut unter Beschuss: Die LA-Times zitiert eine Reihe von
Kritikern, darunter ein Statement der "National Organization for
Women",
wonach das Orchester weiterhin eine "rassistische und frauenfeindliche
Philosophie" vertrete.
12. Februar 1999: Die Harfenistin Julie Palloc gewinnt das Probespiel für
das Staatsopernorchester, dem sämtliche Mitglieder der Philharmoniker
angehören. Ein anschließendes erfolgreiches Probejahr ebendort ist
Voraussetzung für eine spätere Aufnahme in den Verein der Philharmoniker.
Palloc wird vor Ende der Probezeit gekündigt und trotz gegenteiliger
Mehrheitsbestimmung ihrer Kollegen zu keinem weiteren Probespiel zugelassen.
14. Februar 2001: Die Bratschistin Ursula Plaichinger geht als Siegerin des
Probespiels hervor und wird ein Jahr darauf fixes Mitglied des
Staatsopernorchesters. Die Musikerin hat bisher keinen Antrag auf die
Mitgliedschaft gestellt.
September 2001: Charlotte Balzereit qualifiziert sich für ein Engagement an
der Staatsoper und wird später von den Philharmonikern für die freie Stelle
als Harfenistin der mittlerweile pensionierten Anna Lelkes engagiert.
Balzereit ist derzeit das einzige weibliche Mitglied der Philharmoniker.
März 2003: In den USA wird das "ultra-konservative" Orchester während
einer
Tournee erneut wegen seiner Vergangenheit in Geschlechterfragen angegriffen.
Drei Monate später titelt die New York Times, Wiener Philharmonikerinnen
seien ein seltener Anblick und kritisiert die äußerst niedrige Frauenquote
des "old boys network" (zwei Prozent) im Vergleich zu anderen
Formationen
wie der New Yorker Philharmonie (40 Prozent).
Dezember 2006: Die Frauenquote der Wiener Philharmoniker liegt bei 0,86
Prozent. Drei Musikerinnen sind Mitglied des Staatsopernorchesters. Der
Grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl stellt auf einer Pressekonferenz die
Frage "Wann ist endlich Schluss mit der Diskriminierung?" "Wir
halten uns
ganz genau an die Richtlinien", entgegnet Philharmoniker-Vorstand Clemens
Hellsberg. "Jeder Gedanke an Quote geht am Wesen der Kunst vorbei." (APA)
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