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 „The
  Wired Goddess and her Trombone“ von Theda Weber-Lucks In
  einem aktuellen Interview stellte die Posaunistin Abbie Conant ihr jüngstes
  Vorhaben vor: "Mein
  Projekt heißt "The Wired Goddess and her Trombone".
  "Wired" hat mindestens eine Doppelbedeutung. Im Englischen benutzt
  man es z.B., wenn man zuviel Kaffee getrunken hat. Man hat sehr viel Energie,
  eine Art elektrische Energie. Dieser Ausdruck "Wired" deckt fast
  jede Art von Komposition und Vortragsstil ab. Ich wollte eine ganz neue Welle
  anfangen mit der Posaune. Die Posaune hat so viel schlechte Literatur, Musik
  mit der ich mich einfach nicht identifizieren kann. Ich wollte einfach eine
  neue Musik finden, mit Komponisten arbeiten, Unbekannten wie Bekannten, wie
  z.B. Pauline Oliveros, Chris Brown oder Maggie Payne, aber auch mit Studenten.
  Ich wollte da mit einer ganz anderen Sichtweise rangehen, mit einem ganz
  anderen Gefühl, das ich in dieser Welt nicht finden konnte."   Die
  international renommierte Posaunistin, Performerin und Professorin Abbie
  Conant hat das bestehende Repertoire für Soloposaune satt. Mit ihrem Projekt
  „The Wired Goddess and her Trombone“ fordert sie weltweit Komponistinnen
  und Komponisten auf, neue Klangwelten für Posaune und Electronics zu
  erforschen. Als Gegenleistung verspricht sie CD-Aufnahmen, die Edition der
  Partituren (einschließlich einer CD-Rom) und die Chance, daß die Stücke ins
  Repertoire eingehen, anstatt nach der Premiere in Vergessenheit zu geraten.   Eine
  der Voraussetzungen ist, daß das Stück "spielbar" sein sollte. Die
  Meisterin eines subtilen Posaunenklangs und eines expressiven, fast
  sprechenden Stils stellt sich eine Art "Gebrauchsmusik" vor. "Ja,
  das ist ganz praktisch gedacht", erklärt Conant, "im Sinne von
  Hindemith`s Gebrauchsmusik. Auch die Studierenden sollen die Stücke aufführen
  können, ohne daß sie ein riesiges Register haben müssen. Die können dann
  gleich rein in die neuen Sachen und mit der Elektronik arbeiten." Diese
  Anforderung könnte fas als Provokation erscheinen, doch bisher haben die
  Komponist/Innen überaus positiv reagiert. Bereits jetzt sprengt der Umfang
  der neuen Stücke für Posaune und Electronics den Rahmen eines abendfüllenden
  Programms.   Am
  27. November präsentierte Abbie Conant an der Musikhochschule Trossingen (und
  einige Monate vorher im Zentrum für Neue Musik und Technologie and der
  Universität in Berkley, Californien) ein knapp dreistündiges Solokonzert,
  ausschließlich mit Welturaufführungen und deutschen Erstaufführungen. Die
  begeisterte Resonanz der Studenten zeigte, wie aktuell die Frage eines neuen
  Solorepertoires für Posaune ist. Eine Vielfalt an originellen Ideen wurde in
  den Stücken deutlich.  Offensichtlich
  war auch das feministische Thema des Projektes kein Problem. "Da war z.B.
  Chris Braun mit seinem Stück "Time Bomb"", erzählt Conant,
  "Als er mein Konzept las, sah er, daß ich sogar die "Baglady"
  als mögliche Inkarnation einer Göttin oder ihres Ausdrucks nannte. "Ha,
  Baglady!", dachte er und entschied sich für Minna Loy, eine
  expressionistische Dichterin, die als "Obdachlose" starb."
  Braun wählte vier Gedichte für Conant aus. Diese wurden von ihr aufgenommen
  und per Granularsynthese bearbeitetet. Über das Programm "Supercollider"
  wurde die Posaune schließlich so mit den Sprachaufnahmen verschaltet, daß es
  scheint, als wenn die Posaune die Gedichte "spricht" oder "interpretiert":
  Sie kann direkt in die Texte eingreifen, sie manipulieren oder simultan zur
  Stimme spielen.  Ein
  anderes Stück, das Conant favorisiert, ist von Jorge Boehringer und trägt
  den merkwürdigen Titel: „The Sinking Ship or how to use the Trombone as a
  Snorkel“, was für Conant soviel bedeutet wie "antike-griechische-Sirenen-treffen-auf-Nebelhörner-des-San-Francisco-Bay."
  Für die besondere Atmosphäre des Stückes sorgt ein Home-Video in
  Super-8-Qualität mit dem dazugehörenden "clicklicklick"-Geräusch
  eines alten Filmprojektors. Besonders beeindruckt zeigt sich Conant davon, wie
  sparsam und subtil Boehringer mit den spieltechnischen Möglichkeiten der
  Posaune umgegangen ist: Der für das Stück typische Eindruck einer
  grenzenlosen Weite wird durch das einfache Spiel mit dem F-Ventil erreicht.
  Ist das Ventil geöffnet, entstehen Töne, die nach hinten gehen, wo sie über
  ein offenes Mikro und zwei Speaker mit Delay (zeitlich verzögert) in den Raum
  zurückprojeziert werden. Bei geschlossenem Ventil, gehen die Töne wie gewöhnlich
  durch das Schallstück nach vorne und sind rein akustischer Natur.  Ein
  besonders schönes, vielschichtiges Klangfarbenspektrum der Posaune entfaltet
  auch das Stück "Hum 2" für Soloposaune und 7-Spur-Tape im
  Surround-Sound von Maggi Payne. Didgeridoo-artige Klänge durchweben sich mit
  hohen Trillern, mikrotonalen Windgeräuschen und Glissandobewegungen zu
  simultanen Summ- und Brummtönen der Stimme. Conant assoziiert das teils
  improvisierte, teils auskomponierte Opus mit der japanischen Göttin des
  Windes "Tatsua-Hima", obwohl die Komponistin von ihrer Musik eine
  abstraktere Idee hatte. Jede Posaune hat ihre eigene Spur, zusammen mit dem
  live-gespielten Part umgeben acht Posaunen das Publikum.  Die
  erste Hälfte des Konzerts bestand aus einem etwa 50 Minuten langen Werk mit
  dem Titel „Music for the end of time“, geschrieben von Conants Mann, dem
  Komponisten William Osborne. Das Werk besteht aus sechs Sätzen, die über
  sechs Kernstellen aus der biblischen "Offenbarung" (von Johannes dem
  Täufer) aufgebaut sind. Dieses Stück ist mit seinen Extremen in Tonumfang
  und Dynamik selbst für eine Posaunistin vom Format Abbie Conants eine
  Herausforderung auf höchstem Niveau. Umgeben von einer quadrophonen
  Soundkulisse, ähnlich dem Surround-Sound in einem High-Tech-Cinema,
  vermittelt die Solistin eindringlich die Vision des Johannes von einer „Posaune,
  die sprach“. Dabei wechselt sie die Register vom Shakuhachi-artigen
  Pianoklang bis hin zum vollen, schmetternden Fortissimo. Auch wenn der
  Hindemith`sche Begriff der "Gebrauchsmusik" hier unzutreffend
  erscheint, spricht Conant zufolge dafür, daß es außer einer Gesamtpartitur
  sogar eine Übungs-CD mit dem "Soundtrack" ohne Solostimme gibt.  Das von Osborne und Conant zum Teil gemeinsam entwickelte Werk macht jedoch die tieferen Gründe von „The Wired Goddess and her Trombone“ deutlich. Abbie Conant war von 1980-93 Soloposaunistin bei den Münchener Philharmoniker unter Celibedache wo sie um ihre moralische wie finanzielle Gleichberechtigung kämpfte. Als sie nach 13 Jahren endlich ein "gleichgestelltes" Orchestermitglied ist, kündigt sie und nimmt eine Professur in Trossingen an. Nun will sie eine neue Imaginationswelt und eine neue Klangsprache für ihr Instrument erschaffen. Die Posaune des 21. Jahrhunderts soll die Balance zwischen den "männlichen" und "weiblichen" Energien symbolisieren. Conants Projekt ist ein Aufruf der von Herzen kommt: "Come on, let`s get it together with this men and women thing", bricht es schließlich aus ihr heraus, "Come on, it`s the 21st Century, let`s move it. I`m there", sie lacht, "Come with me, at least. I`m not gonna live in that old world anymore. I´m sorry, it`s
  over, it didn`t work. - You know, that`s how I feel."  Unter
  den für Abbie Conant komponierten Werken sind Elizabeth Hoffmann`s "The
  Elderberry Goddess, Cindy Cox`s "Hysteria", Alex Pott`s "The
  Secret Waits", Nancy Dowlin`s "Love Song Without Wortds" und
  Pauline Oliveros` "The Heart of Tones".  
 
 
 
 
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