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Im Gespräch: Abbie Conant, Solo-Posaunistin und Professorin für Posaune

,,Wir brauchen einen Mann...

Titelseite: Freiburger Kultur Joker, Mai 1995

 

Abbie Conant, Amerikanerin aus Oklahoma, ist eine der weltbesten Posaunistinnen. Das hat sie in europäischen Spitzenorchestern, so zuletzt bei den Münchner Philharmonikern, bewiesen. Doch die Tatsache, dass einer Frau aufgrund ihres Könnens der Platz am ersten Pult gebührt, machte männlichen Kollegen und dem Chefdirigenten Sergiu Celibidache arg zu schaffen. Aus den jahrelangen Nervenkämpfen ist sie juristisch und innerlich als Siegerin hervorgegangen. Inzwischen arbeitet sie als Performance-Künstlerin und hat in Trossingen eine Profes­sur für Posaune inne. Mit ihrer One-Woman-Show ,,Miriam", in der sie eine Frau spielt, die auf der Suche ist, tritt sie am 19. Mai im Frei­burger  Frauenkulturhaus (FITTT) auf. Zu dem Musik- Theaterabend, dessen Erlös dem FITTT zukommt, sind Frauen und Männer eingeladen. Theresia Bottländer sprach aus Anlass ihres Freiburger Auftritts mit der Künstlerin.

 Joker: Worum geht es in Stück ,,Miriam"?

 Conant: Das Stück ist sozusagen, eine emotionale Reaktion auf meine Erfahrungen mit den Münchner Philharmonikern. Im ersten Teil, ,,der Spiegel", ist eine Frau allein zu Hause, und versucht, verschiedene Rollen zu spielen, aber sie nie zufrieden und will deshalb Selbstmord  begehen.  Der zweite Teil heißt ,,der Stuhl". Sie ist in einer Anstalt und sitzt gefesselt in einer Art Folter-Stuhl. Sie beginnt ein Stück zu schreiben für ihre Kinder, aber deren Besuch. ist unwahr­scheinlich. Sie macht sich dar­an, einen Text zu schreiben, ein Lied zu finden. Meiner Meinung nach ist sie gar nicht verrückt, sie ist einfach eine Frau in unserer Gesellschaft, die kreativ sein möchte: Vielleicht ist sie auch eine Künstle­rin, jemand, der versucht, vollkommen zu leben. Sobald sie ihre Emotion und ihren Mut auslebt, fällen die Fesseln ab. 

Joker: Ihr Mann; der Komponist William Osborne, hat dass Stück für Sie geschrieben?

Conant: Ja, nur am Text und bei der Posaunenstimme habe ich mitgearbeitet. Er musste meine Diskriminierung bei den Philharmonikern miterleben und ,,Miriam" ist die Verarbeitung dieser Erfahrung: eine Frau versucht, ihr Leid und ihre Wut durch Kreativität auf­zulösen. Mein Mann nennt es ein feministisches Stück, aber ich habe es nie gesehen, weil ich es ja spiele. Aber ich denke, es ist sehr wichtig, dass es von einer Frau gespielt wird, in diesem Sinne ist es femini­stisch Es kann für manche Leute sehr unangenehm sein, zum Beispiel für solche, die -Probleme haben, eine befreite Frau zu erleben. Es geht um das Weibliche, das unsere Gesellschaft nicht ganz haben will .Das gesamte Stück wurde 1990 bei der Münchner Musik­theater-Biennale uraufgeführt. Vorher habe ich schon mal eine One-Woman-Show mit Beckett­ Texten gemacht.

 Joker: Auslöser für ,,Miriam" war Ihre Diskriminierung bei den Münchner Philharmonikern. Was ist dort passiert?

Conant: Ich war Posaunistin im königlichen Opernhaus in Turin und wollte eine bessere Stelle haben; ich habe mich also beworben und die einzige Einladung zu einem Vorspiel kam von den Münchner Philharmonikern,  adressiert an ,,Herrn Abbie Conant", obwohl ich ein Foto mitgeschickt hatte. Das Vorspiel war dann zufälligerweise hinter einem Vorhang, ich war die Nummer 16 von 33 Bewerbern, das Or­chester war von meinem Spiel ganz begeistert, nach mir sollte niemand mehr vorspielen. Als sie dann sahen, dass ich eine Frau bin, waren sie ganz schockiert. Es gab dann noch vier Runden und sie haben mich doch genommen und der Dirigent. Celibidache hat ge­sagt: Wir müssen sie nehmen, sie hat so gut gespielt. Die Mehrheit hat dann für mich ge­stimmt, aber es gab von An­fang an Gegner wie den Bassposaunisten, der dort keine Frau haben wollte.

Joker:  Gibt es noch andere Frauen in diesem Orchester?

Conant: Ja doch, in den Tutti­ Geigen, aber für s6' schweres Blech und vor allem als Stimm­führerin das war nicht zu kapieren;

Joker: Ist das in den USA anders?

Conant: Es ist besser, natür­lich haben wir viel weniger Or­chester, aber es gibt Orchester' die mit über 50 % Frauen besetzt sind. In St. Louis gibt es eine Solotrompeterin, in Pittsburgh, San Diego und jetzt auch bei den New Yorker Philharmonikern gibt es eine Soloposaunistin.

 

Joker:  Was steckt hinter der Ablehnung?

Conant: Sehr,  sehr viele Gründe, glaube ich, einfach, weil  das  Erscheinungsbild nicht üblich ist, man denkt an Orchester und sieht einen Haufen Männer im Frack. Posaune spielen sollte eine Männersache sein. Das habe ich dort genug mitbekommen.

Joker:  Auch weil es so anstren­gend ist, oder warum?

Conant: Das ist ein ganz großer Mythos. Ich musste mich zum Beispiel in einer Lungen-Klinik testen lassen, für den Prozess musste ich beweisen, dass ich genügend physische Kraft habe, Posaune zu spielen. Es wurde mir vorgeworfen, dass ich zu schwach sei, ei­ne Posaunengruppe zu führen. Das ist natürlich idiotisch, denn man braucht keine physische Kraft, um eine Posaunen­gruppe zu führen. Das Spielen an sich ist eine Frage der Atem­technik und der inneren Muskulatur, die gerade bei der Frau stärker ist, für's Kinderkrie­gen. Das ist also kein Argu­ment. Frauen haben meistens weniger Luftkapazität, aber sie haben genug. Ich habe mehr als manche Männer im Orchester. Das ist also einfach altmodi­sches Denken.

Joker:  Herr Celibidache hat Ihnen nach eineinhalb Jahren als Stimmführerin gekündigt und in die Posaunistengruppe herabgestuft.  War das eine plötzliche Laune von ihm?

Joker: Er ist ein bekannter Frauenfeind. Es gibt sehr viele dokumentierte Aussagen von ihm, auch in der Presse. Über Anne-Sophie Mutter hat er beispielsweise gegenüber der größten spanischen Zeitung gesagt, sie sei eine geigende Henne. Sie kam zu uns, um mit uns ein Konzert zu spielen, und er hat einfach versucht, sie kaputt zu machen, sie zu erniedrigen, hat alle Tempi geändert. Das macht man mit einem Solisten einfach nicht, das ist unprofes­sionell, das ist verrückt. Er offensichtlich Probleme mit Frauen, die Solistinnen oder Stirnführerinnen sind.

Joker: Aber er wollte Sie nicht ganz aus dem Orchester werfen?

Conant: Nein; weil ich gut war. Ich glaube, seine Taktik war, dass ich dann zweite Po­saune spiele, er also eine sehr gute zweite Posaune hat und für die erste wieder einen Mann engagieren kann. Als ich ihn gefragt habe, was das Problem ist, hat er gesagt: ,,Abbie, Du kennst das Problem, wir brauchen einen Mann". Als er das gesagt hat, war mir klar, was los war.

Joker:  Sie haben dann zehn Jahre prozessiert?

Conant:   Insgesamt elf. Der ganze Kampf hat .13. Jahre gedauert.

Joker:  War die Atmosphäre zum Musizieren  überhaupt noch erträglich?

Conant:    Fast nicht mehr, es war ziemlich schlimm. Ich habe es irgendwie ausgehalten und Gott sei dank immer gut gespielt.

Joker: Hatten Sie Rückhalt bei den Kolleginnen?

Conant: Ja, so ganz heimlich. Die haben offenbar alle Angst gehabt, hinter mir zu stehen. Es war ein Machtkampf mit Celibidache. Man musste sehr vorsichtig sein, um nicht ebenfalls ausgegrenzt zu werden. Ich war quasi ,,untouchable".

 Joker: Warum haben Sie sich nicht schon früher gesagt, ich bin so gut und die Koffer gepackt?

Conant: Das habe ich auch oft gedacht, aber dann glaubte ich, nach höchstens sechs Monaten sei alles vorbei. Wenn ich gewusst hätte, dass das alles so lan­ge dauert... Es war immer so, dass ich glaubte, die nächste Entscheidung  würde  den Durchbruch bringen.  Einmal war ein Richter krank, und es gab einfach immer unglaubliche Verzögerungen. 1988 habe ich die Stelle zurückbekom­men und da stellte ich fest, ich war schlechter bezahlt, 1100 Mark weniger im Monat.. Das war natürlich wahnsinnig ärgerlich. Dann habe ich noch einmal fünf Jahre prozessiert.

Joker: Sie mussten auch vor einem neutralen Gutachter spielen?

Conant: Ja, das war furchtbar. Die ganzen sechs Jahre und mein Kampf hingen davon ab. Das war unglaublich dramatisch. Ich wusste, ich muss einen guten Tag haben, meine Ner­ven mussten in Ordnung sein. Aber es ist dann gut gegangen. Nach alldem war es natürlich ein Schock, als ich merkte, weniger zu verdienen. Ein Kollege hat die Lohnzettel einge­sammelt und hat das festge­stellt.  Er war auch total empört.

Joker: Auch dagegen haben Sie erfolgreich geklagt. Warum haben Sie nach diesen schwer errungenen Siegen die Münch­ner Philharmoniker dann doch verlassen?

Conant: Ich habe eine Profes­sur in Trossingen erhalten und man darf nicht zwei solche Stellen gleichzeitig haben. Es war schön, dass ich die Prozesse' gewonnen hatte. Aber die Stadt München hat mich immer noch unter Druck gesetzt. Ich spielte damals ,,Miriam" in einem Münchner. Privattheater, sie luden mich im März ,93 ins Münchner Rathaus zu einer Besprechung ein und schika­nierten mich, indem sie Be­sprechungen von dem Stück in die Luft hielten und sagten, dass ich außerhalb des Orchesters nicht auftreten darf, das war so eine Art Zensur. Jedes Orchestermitglied macht etwas außerhalb des Orchesters, kammermusikalisch oder unterrichtet. Die Stadt als mein Arbeitgeber stand hinter Celibidache.

Joker: Wer hat Sie denn unterstützt?

Conant: Die Deutsche Orche­stervereinigung. Die Gleichstellungsstelle für Frauen dagegen hat mir geschrieben, ich soll einfach Geduld haben, bis ein neuer Dirigent kommt...

Joker: Sind Sie mit dem, was Sie jetzt machen, der Stelle in Trossingen und Ihren Solo-Auftritten, zufriedener als vorher?

Conant: Ja, sehr.

Joker: Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit ,,Miriam" für die Frauen kämpften können?

Conant: Ja, das Schönste ist, wenn sie hinterher zu mir kom­men und sagen: es hat uns geholfen, wir können uns damit identifizieren.

Joker: Sie spielen nicht nur Posaune in ,,Miriam ,,?

Conant: Nein, viele Aspekte von Performance werden zusammengestellt,  Schauspiel, Gesang, Pantomime, Bewe­gung und Posaune, man könnte es Performance-Art nennen oder Neues Musiktheater.

Joker: Was gefällt Ihnen an der Posaune?

Conant: Ich finde es so einfach, vom Anblick her so ele­gant und schön. Man kann so viele verschiedene Töne herauskriegen, obwohl es nur die­sen einfachen Zug hat. Über die Jahrhunderte hat sich daran nichts geändert, weil die Uridee so gut war. Es ist auch ein sehr dramatisches Instrument, sehr geeignet für Musiktheater.

Joker: Im Freiburger Tanzthea­ter ,,Die Nashörner" wurden deren Laute mit Posaunen nachgeschalt.

Conant: Ja, die Posaune hat all diese Elemente,  auch das Clowneske, das Noble, den Jazz, das Tierische, wenn man will, und das Menschliche. Es hat eine sehr, sehr weiche Seite, man könnte sagen, eine weibliche.

Joker: Wie kamen Sie eigentlich darauf Posaune zu spielen?

Conant: Inder 8. Klasse sollte ich Schreibmaschine lernen, war aber nicht besonders talentiert. Die einzige Alternative, um mir meine Noten nicht kaputt zu machen, war, in die Blaskapelle der Schule zu gehen. Zwei Freunde, die Posaune spielten, haben mir erzählt, was das für ein tolles Instrument ist und mich überredet. Vielleicht haben die das ironisch gemeint, aber ich habe es ernst genommen. Von Anfang an konnte ich einen sehr schönen Klang machen und habe sehr viel geübt. Nach einem Semester war ich dann Soloposaunistin in der Blaskapelle.

Joker: Frau Conant, wir bedanken uns für das Gespräch!

 

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